Der Verschmitzte
Es war vor ca. drei Jahren, als wir vom Barberino-Verein, Sepp spontan an seinem Geburtstag besucht haben.
Wie herzlich hat er uns empfangen und uns mit seiner guten Laune angesteckt. Mit seinem besonderen Humor erzählte er Anekdoten aus der Zeit in Barberino.
So trug es sich einmal zu, dass die Schlierseer ganz nach bayrischer Art stolz ein Fass Bier anzapfen wollten. Es war das 10-jährige Barbarino-Schliersee-Jubiläum, ein grandioses Buffet war vor der Marktplatz-Kirche St. Bartholomä in Barberino val d’Elsa aufgebaut, daneben der Alpenchor. Voller Erwartung versammelten sich die Italiener um das auf der Bühne stehende 15-Liter Fass herum, als Sepp den Hammer ergriff, um den Zapfhahn in das vorgesehene Loch einzuschlagen. Aber verflixt, es tat sich nichts. Sepp ließ sich keinerlei Nervosität anmerken und schlug beherzt und selbstsicher immer und immer wieder auf das Fass ein.
Plötzlich zischte es und explosionsartig schoss eine Fontane aus dem Fass. Geistesgegenwärtig drehten die Schlierseer das Fass auf den Rücken, sodass der Wasserstrahl nun 5 Meter senkrecht in den Himmel schoss. Lenzi schnappte sich ein Maßkrug und versuchte damit das wieder herunterfallende köstliche Nass aufzufangen. Der Alpenchor in der jetzt nassen, klebenden Trachtenmontur fieberten mit.
Nachdem der Druck in dem Gefäß nachließ und sich die Biersäule verkleinerte, steckte Ilse gelassen einfach den Finger in das Loch und rettete die Situation.
Die Italiener waren beeindruckt. Was für eine unglaubliche Tradition die Bayern doch haben. Na ja – auf dem Oktoberfest werden sie so eine Show jedenfalls nicht bekommen.
Nun, das war nur eine von Sepps lustigen Geschichten. Wir wollten gar nicht mehr gehen, so hingen wir an seinen Lippen.
Doch schließlich kam dann doch seine bekannte Aufforderung: „Oh liebe Uhr, Du vertreibst mir meine Gäste”
So müssen wir immer etwas schmunzeln, wenn wir an Sepp denken.
Wer mehr über ihn wissen möchte –
hier Dank seiner lieben Frau Ilse noch ein kurzer Einblick in sein Leben und Wirken:
Kurz vor seinem 92. Geburtstag ist Sepp Faltermeier nach längerer altersbedingter Erkrankung friedlich zu Hause eingeschlafen.
Die Paragrafen des deutschen Rentengesetzes, mit denen sich der ehemalige Vize-Bürgermeister bestens auskannte, prägten den Großteil seines Berufslebens. Sie stehen in gewisser Weise auch stellvertretend für die viele ehrenamtliche Hilfe, die er nicht nur Menschen zuteilwerden ließ, denen im weiten Feld des Sozialrechts ein Orientierungsverlust drohte.
Er war ein überzeugter Sozialdemokrat konservativer Prägung, für den Kommunalpolitik jahrzehntelang Leidenschaft und Lebensinhalt zugleich waren.
Ein Blick auf die zahlreichen Ehrenämter des gelernten Bergmanns, der in späteren Jahren nach einem Studium an der Akademie der Arbeit in Frankfurt in die Sozialverwaltung wechselte, dokumentiert den hohen Stellenwert, den der Einsatz für sozial Schwächere und Gerechtigkeit in seinem Leben gehabt haben.
28 Jahre Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter am Sozialgericht München sowie seine Ehrenämter als Richter im Finanzgericht und dem Landesgericht München stehen hierfür ebenso exemplarisch wie sein 22-jähriges Mitwirken im Landesausschuss der bayrischen Versicherungskammer.
Im Kreis Miesbach kannte man ihn vor allem wegen seines kommunalpolitischen Wirkens, seiner kostenlosen Rentenberatungsstunden, die er bis zu seinem 75. Lebensjahr im Schlierseer Rathaus hielt, und seiner zahlreichen Vorträge über das Wesen der gesetzlichen Rentenversicherung. Einzelne Beratungen gab er noch bis weit in sein 80. Lebensjahrzehnt.
30 Jahre lang war Sepp im Schlierseer Gemeinderat vertreten (1972 bis 2002), davon 10 Jahre als SPD-Fraktionssprecher. Von 1984 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Gremium begleitete er das Amt des Vizebürgermeisters. Auch dem Kreistag gehörte er zwei Amtsperioden an.
Er erwies sich in all den Jahren seines politischen Wirkens nicht nur als überzeugter Kämpfer für die kommunale Selbstverwaltung. Sein Verständnis von Kommunalpolitik war geprägt von einem hohen Maß an Pragmatismus. Das Wohl der Bürger und seiner Heimat standen für ihn im Mittelpunkt seiner Entscheidungen. Ideologie und Lager-Denken erteilte er stets eine klare Absage. Nicht zuletzt deshalb wurde sein Engagement über Parteigrenzen hinweg geschätzt. Seine tiefe Verwurzelung in den Grundsätzen der Sozialdemokratie hob er stets mit Stolz hervor, auch in Situationen, in denen er mit Entscheidungen und der Entwicklung in seiner Partei alles andere als einverstanden war.
Die Anerkennungsmedaille für Verdienste in der kommunalen Selbstverwaltung sowie das Bundesverdienstkreuz am Bande, das ihm im Jahr 2001 verliehen wurde, sind außerordentliche Zeichen des Dankes, der ihm von staatlicher Seite für sein Engagement zuteilgeworden ist. Besonders wichtig war für ihn aber, wenn er seinen Mitmenschen helfen konnte, zu ihrem Recht zu kommen.
Im letzten Jahr, als er gesundheitlich schon sehr angeschlagen war, konnte er seine Freude über den überraschenden Aufstieg der so schwächelnden SPD kaum verbergen.
Besonders bekannt war Sepp für seinen Charme und seinen Humor. Er feierte gern und konnte ganze Gesellschaften mit Anekdoten, Gedichten und feinen Witzen unterhalten.
Auch in der letzten, schwierigeren Zeit begegnete er den liebevollen Pflegerinnen und Pflegern von Mobi-Cura und der Tagespflege mit Offenheit und Humor. So erleichterte er die Situation für sich und seine Umgebung und nahm die Angebote als Bereicherung dankbar an.
Nun ist er nach einem sehr erfüllten Leben von uns gegangen.
Er fehlt schon jetzt sehr.
Sepp Faltermeier * 25. Februar 1930 † 28. Januar 2022
Im Miesbacher Merkur erschienen: